| Oberlandesgericht Koblenz

Prozessauftakt im Staatsschutzverfahren wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit u.a. als mutmaßliches Mitglied der ausländischen terroristischen Vereinigung „Islamischer Staat“ (IS)

Ab dem 11. Januar 2023 wird sich eine 37-jährige deutsche Staatsangehörige u.a. wegen des Vorwurfs, als mutmaßliches Mitglied der ausländischen terroristischen Vereinigung „Islamischer Staat“ (IS) ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Form der Versklavung eines Menschen begangen zu haben, vor dem 2. Strafsenat – Staatsschutzsenat – des Oberlandesgerichts Koblenz verantworten müssen (Aktenzeichen 2 StE 9/22).

Der Hauptverhandlungstermin am 11. Januar 2023 beginnt um 14:30 Uhr. Verhandelt wird in Sitzungssaal 10 (Dienstgebäude II des Oberlandesgerichts Koblenz).

Der Angeklagten wird zur Last gelegt, zwischen dem 2. Dezember 2014 und März 2019 Mitglied der ausländischen terroristischen Vereinigung „Islamischer Staat“ (IS) gewesen zu sein. Im Zusammenhang damit ist sie zudem u.a. wegen Beihilfe zum Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Beihilfe zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen sowie Verstößen gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz, teilweise mit ihrem Ehemann gemeinschaftlich handelnd, angeklagt.

Laut Anklageschrift des Generalbundesanwalts soll die aus Rheinland-Pfalz stammende Angeklagte, die sich während ihres Studiums in Nordrhein-Westfahlen zunehmend islamistisch radikalisiert haben soll, am 2. Dezember 2014 gemeinsam mit ihrem nach islamischen Ritus ver­heirateten Ehemann von Deutschland in die Türkei ausgereist sein, um sich einige Tage später in das Herrschaftsgebiet des sogenannten „Islamischen Staats" (IS) nach Syrien zu begeben und sich dem IS anzuschließen. Nach Aufenthalten an unterschiedlichen Orten in Syrien sollen die Angeklagte und ihr Ehemann spätestens im Juni 2015 nach Mossul/lrak gezogen sein. Die Angeklagte soll stets die vom IS für Ehefrauen vorgesehene Rolle ausgefüllt haben. So soll sie ihren Ehemann, der für den IS als Arzt arbeitete und hierbei auch Kämpfer behandelte, durch das Führen des Haushalts und die Erziehung der gemeinsamen 2015 und 2018 geborenen Töchter im Sinne der IS-Ideologie, in seiner Aufgabe als IS-Arzt unterstützt haben.

Die Angeklagte und ihr Ehemann sollen nach ihrer Ankunft in Mossul ein Haus bewohnt haben, dessen rechtmäßige Bewohner vor dem IS geflohen oder von diesem vertrieben worden waren. Im Haus sollen sie eine große Anzahl von Sprengstoff und Waffen, darunter Handgranaten, Sturmgewehre und eine Pistole gelagert haben. Zudem sollen sie dort nach Genehmigung und gegen Bezahlung durch den IS eine Aufnahmestelle für alleinstehende weibliche Mitglieder des IS eingerichtet haben. Die Eheleute sollen dabei nicht nur für die Beherbergung und Verpflegung der Frauen gesorgt haben, sondern unterstützten diese auch bei Heiraten oder Scheidungen vor dem Scharia-Gericht. 

Im April 2016 soll der Ehemann der Angeklagten eine zu diesem Zeitpunkt 22-jährige jesidische Frau als Sklavin in das Haus gebracht haben, die mutmaßlich zuvor im Rahmen der Erstürmung ihres Heimatdorfs in der Sindjar-Region im Au­gust 2014 von Mitgliedern des IS gefangengenommen, versklavt und bereits unterschiedlichen IS-Mitgliedern als Haushalts- und Sexsklavin zur Verfügung gestellt worden war.

Es folgten mehrere Umzüge der Familie, zuletzt wieder nach Syrien. Im bewussten und gewollten Zusammenwirken sollen die Eheleute in ihren jeweiligen Haushalten im Irak und in Syrien die Frau zur unentgeltlichen Verrichtung der Hausarbeit gezwungen und diese wie ihr Eigentum behandelt haben. So soll die Frau verpflichtet gewesen sein von morgens bis abends zu kochen, zu putzen, die Tiere zu versorgen sowie die Töchter der Angeklagten zu füttern und deren Windeln zu wechseln. Der Ehemann soll die jesidische Frau mit Wissen der Angeklagten regelmäßig vergewaltigt und geschlagen haben. Die Angeklagte selbst soll überwacht haben, dass ihre Sklavin nicht fliehen konnte. So soll sie unter anderem die schwarze Kleidung der Sklavin an sich genommen haben, ohne welche diese im Herrschafts­gebiet des IS das Haus nicht verlassen konnte. Auch sollen die Angeklagte und ihr Ehemann nachts das Haupttor abgeschlossen haben, um eine Flucht ihrer Sklavin zu verhindern. Diese soll zudem gezwungen worden sein, täglich nach islamischem Ritus zu beten, den Koran zu rezitieren und während Ramadan die Fastenzeiten einzuhalten – dies alles mit dem von der Angeklagten und ihrem Ehemann unterstützten Ziel des IS, den jesidischen Glauben zu vernichten. 

Am 8. März 2019 sollen die Angeklagte, ihr Ehemann, beide Töchter sowie die weiterhin bei der Familie befindliche Sklavin bei deren Flucht aus Baghouz/Syrien durch kurdische Kräfte festgenommen worden sein. Erst im Rahmen dieses Fluchtversuchs soll der Ehemann der Angeklagten der jesidischen Frau, die noch heute unter den erlittenen Qualen leiden soll, mitgeteilt haben, dass diese nun „frei" sei.

Die Angeklagte befand sich seit diesem Zeitpunkt mit ihren Töchtern in Gefangenschaft bei kurdischen Kräften in Syrien. Im Zuge ihrer Wiedereinreise nach Deutschland wurde sie am 31. März 2022 festgenommen und befindet sich seitdem ununterbrochen in Untersuchungshaft. 

Die Bedingungen der Medienberichterstattung richten sich nach den Regelungen der sitzungspolizeilichen Verfügung der Vorsitzenden vom 4. Januar 2023.

Link zur sitzungspolizeilichen Verfügung vom 4. Januar 2023

Fortsetzungstermine – immer Saal 10, Dienstgebäude II – sind bestimmt auf:

 

Dienstag

24. Januar 2023

  9:30 Uhr

Mittwoch

25. Januar 2023

11:00 Uhr

Freitag

27. Januar 2023

  9:30 Uhr

Mittwoch

1. Februar 2023

  9:30 Uhr

Donnerstag

2. Februar 2023

  9:30 Uhr

Mittwoch

8. Februar 2023

  9:30 Uhr

Donnerstag

9. Februar 2023

  9:30 Uhr

Mittwoch

15. Februar 2023

12:00 Uhr

Donnerstag

16. Februar 2023

  9:30 Uhr

Freitag

17. Februar 2023

  9:30 Uhr

Mittwoch

22. Februar 2023

  9:30 Uhr

Mittwoch

1. März 2023

  9:30 Uhr

Donnerstag

2. März 2023

  9:30 Uhr

Bei Bedarf werden weitere Fortsetzungstermine nach Absprache mit den Beteiligten bestimmt werden.

 

sitzungspolizeiliche Verfügung

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