| Oberlandesgericht Koblenz

Prozessauftakt im Staatsschutzverfahren wegen mutmaßlicher Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung („Islamischer Staat“)

Ab dem 8. September 2022 wird sich eine 27-jährige deutsche Staatsangehörige wegen des Vorwurfs der Mitgliedschaft in der ausländischen terroristischen Vereinigung „Islamischer Staat“ vor dem 2. Strafsenat – Staatsschutzsenat – des Oberlandesgerichts Koblenz verantworten müssen (Aktenzeichen 2 StE 6 OJs 5/20).

Der Hauptverhandlungstermin am 8. September beginnt um 09:30 Uhr. Verhandelt wird in Sitzungssaal 10 (Dienstgebäude II des Oberlandesgerichts Koblenz).

Der Angeklagten wird zur Last gelegt, zwischen dem 9. September 2014 und Ende Februar 2019 Mitglied der ausländischen terroristischen Vereinigung „Islamischer Staat“ (IS) gewesen zu sein. Ferner ist sie wegen Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz angeklagt.

Laut Anklageschrift der Generalstaatsanwaltschaft Koblenz soll die Angeklagte am 9. September 2014 aufgrund freiwilligen Entschlusses zusammen mit ihrem Bruder, dessen nach islamischem Recht verheirateter Ehefrau sowie ihrer zu diesem Zeitpunkt 14-jährigen Schwester von Deutschland in die Türkei ausgereist sein, um sich einige Tage später von dort aus in das von der terroristischen Vereinigung im Ausland „Islamischer Staat“ (IS) in Syrien kontrollierte Gebiet zu begeben und sich dem IS als Mitglied anzuschließen. Nach Passieren der syrischen Grenze seien die Angeklagte und ihre Begleiter von Angehörigen des IS in Empfang genommen worden. Die Angeklagte habe sich entsprechend ihres vorgefassten Entschlusses der Organisations- und Befehlsstruktur des IS sowie dem Willen der Vereinigung unterworfen und sich in diese eingegliedert. Nach mehreren Wechseln von Aufenthaltsorten und Unterkünften habe die Angeklagte schließlich spätestens Anfang November 2014 mit ihren aus Deutschland mitgereisten Familienmitgliedern eine Wohnung in Raqqa bezogen, die sie sich mit weiteren Angehörigen des IS teilten. Nach der Ankunft in Raqqa habe die Angeklagte im November 2014 einen somalischstämmigen Angehörigen der Vereinigung geheiratet. Dieser habe sich dem IS als Kämpfer angeschlossen gehabt, nachdem er zu diesem Zweck aus Schweden nach Syrien ausgereist sei. Nach der Eheschließung habe die Angeklagte ihrem Ehemann den Haushalt geführt und diesem dadurch ermöglicht, seiner Tätigkeit für die terroristische Vereinigung nachzugehen. Spätestens im Januar 2015 sei der Ehemann der Angeklagten im Zuge von Kämpfen um die nordsyrische Stadt Kobane bei einem Bombenangriff getötet worden. Im Verlauf des Jahres 2015 brachte die Angeklagte aus dieser Beziehung eine Tochter zur Welt.

Im April 2016 habe die Angeklagte erneut geheiratet. Ihr zweiter Ehemann sei ebenfalls Kämpfer des IS gewesen. Von diesem habe sich die Angeklagte allerdings nach 10 Tagen wieder scheiden lassen. Spätestens im Juli 2016 habe die Angeklagte ein drittes Mal geheiratet. Ihr Ehemann sei ebenfalls Angehöriger des IS gewesen, jedoch kurze Zeit nach der Eheschließung infolge von Kampfhandlungen verstorben. Aus dieser Ehe habe die Angeklagte im August einen Sohn zur Welt gebracht, der indes wenige Tage nach der Geburt gestorben sei.

Bis zur Räumung der Stadt Raqqa durch den IS im Herbst 2017 soll sich die Angeklagte zusammen mit ihrer Schwester dort aufgehalten haben. Anschließend habe sie sich mit den verbliebenen Angehörigen der terroristischen Vereinigung weiter in die noch von dem IS gehaltenen Gebiete in Syrien zurückgezogen, bis sie schließlich Ende Februar 2019 im Zuge der Gefechte um die letzte von der Organisation gehaltene Ortschaft Al-Baghouz von kurdischen Kräften aufgegriffen und in der Folge in einem Lager in der Nähe der Stadt Hassaka inhaftiert gewesen sei.

Durch die Erbringung von Haushaltstätigkeiten und die Versorgung der Ehemänner während ihrer Aufenthalte zu Hause, habe die Angekagte ihren Ehemännern ermöglicht, ihren Beitrag für die terroristische Vereinigung zu erbringen. Dafür und für die Tätigkeit ihres Ehemanns hätten die Angeklagte und ihr jeweiliger Ehemann von der Vereinigung monatliche Unterstützungsleistungen in Höhe von etwa 50 Dollar erhalten, die durch die Geburt ihres Kindes um weitere 30 Dollar gesteigert worden seien. Der IS habe zudem die Beteiligung der Angeklagten honoriert, indem er sie nach dem Tod der jeweiligen Ehemänner an der üblichen Witwenversorgung des Islamischen Staats habe teilhaben lassen.

Ihre Eingliederung in die Vereinigung habe die Angeklagte auch nach außen dokumentiert, indem sie von Syrien aus die Ideologie des IS verbreitet habe. Sie habe zur Ausreise in das vom IS ausgerufene Kalifat aufgefordert, das Leben und die Versorgungslage in den vom IS kontrollierten Gebieten angepriesen, die Gräueltaten des IS gerechtfertigt und die Tötung der „Ungläubigen“ gefordert.

Die Bedingungen der Medienberichterstattung richten sich nach den Regelungen der sitzungspolizeilichen Verfügung der Vorsitzenden vom 1. September 2022.

 

Link zur sitzungspolizeilichen Verfügung vom 1. September 2022

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