Feierliche Eröffnung der Ausstellung "Vergessen heißt Verbannung, Erinnern ist der Pfad der Erlösung" am 30. Oktober 2008 im Oberlandesgericht Koblenz

Aus Anlass des 70. Jahrestages der Novemberpogrome des Jahres1938 zeigt das Oberlandesgericht Koblenz im Rahmen der Ausstellung "Vergessen heißt Verbannung, Erinnern ist der Pfad der Erlösung" 16 ergreifende Portraits jüdischer Mitbürgerinnen und Mitbürger aus Koblenz und Umgebung, die fast ausnahmslos von den Pogromen im November des Jahres 1938 und deren Folgen betroffen waren. Zu sehen sind daneben 16 bewegende Originalbilder von Teofila Reich-Ranicki, der Ehefrau des Literaturkritikers Marcel Reich-Ranicki.

"Sie haben aus eigenem furchtbaren Erleben Bilder aus der Zeit des Warschauer Ghettos in den Jahren 1940 bis 1943 gezeichnet, die wir in unserer Ausstellung sehen dürfen. Diese Bilder sind erschütternd und ergreifend. Sie sind eine ewige Mahnung und stetige Erinnerung an die Millionen Opfer der Shoa", begrüßte Präsident des Oberlandesgerichts Bartz Frau Reich-Ranicki, die zur feierlichen Eröffnung der Ausstellung am 30. Oktober 2008 selbst mit ihrem Ehemann ins Oberlandesgericht Koblenz gekommen war.

Glücklich über die Anwesenheit von Teofila und Marcel Reich-Ranicki zeigte sich auch Justizminister Dr. Bamberger, Schirmherr der Ausstellung. "Eine Zeitzeugin wie Sie verkörpert Authentizität und Ermutigung zugleich", begrüßte Bamberger die Künstlerin stellvertretend auch für die übrigen anwesenden Zeitzeugen. "Mit Ihrer Anwesenheit distanzieren Sie sich von dem Mythos der kollektiven Amnesie. Indem wir uns der Barbarei der Vergangenheit stellen, auch der der deutschen Justiz im nationalsozialistischen Terrorstaat, beschreiten wir den Pfad der Erinnerung", dankte Bamberger auch den weiteren zahlreichen Gästen für ihr Erscheinen. "Wer sich der Vergangenheit nicht stellt, narkotisiert das Leben", führte er weiter aus.

Bevor Marcel Reich-Ranicki gemeinsame Erlebnisse mit seiner Ehefrau im Warschauer Ghetto schilderte, erinnerte er sich zunächst an die Zeit, nachdem er im Jahr 1958 nach Deutschland zurückgekehrt war. "Ich hatte in Deutschland keine Schwierigkeiten. Ich bekam sofort und ohne Probleme die deutsche Staatsbürgerschaft. Ich wusste gar nicht, dass ich einen Anspruch hierauf hatte, weil meine Mutter Deutsche war und ich einen deutschen Schulabschluss hatte", berichtete Reich-Ranicki. "Obwohl alle wussten, dass ich im Warschauer Ghetto gelebt hatte, hat mich niemand danach gefragt", ergänzte er. "Niemand hat gefragt: Wie war das eigentlich? Was war da los? Was ist da überhaupt passiert?" Die erste, die ihm diese Fragen gestellt habe, sei eine Journalistin im Dienste des Norddeutschen Rundfunks gewesen. "Nun wollen Sie sicher wissen, wie diese Journalistin hieß", fuhr Reich-Ranicki fort, ohne den Zuhörern die Antwort schuldig zu bleiben: "Sie hieß Ulrike Meinhof".

Bei seiner thematischen Einführung in die Ausstellung rückte Joachim Hennig, Träger des Kulturpreises der Stadt Koblenz 2008, die Betroffenheit der Stadt Koblenz und Umgebung von den Pogromen des Jahres 1938 in den Vordergrund. "Auch in Koblenz töteten die Nazis. Zerstört wurden 13 beziehungsweise nach einer anderen Zählung 19 Geschäfte und 36 beziehungsweise 41 Wohnungen. Jüdische Mitbürger wurden misshandelt. Trupps zerstörten die Synagoge am Florinsmarkt. Der Friedhof wurde geschändet und die Leichenhalle verwüstet. Etwa 100 Männer wurden in die Konzentrationslager Dachau und Buchenwald verschleppt", lautete seine erschütternde Bilanz. "Aus dieser Zeit des Zweiten Weltkriegs stammen auch die insgesamt 16 Aquarelle von Frau Reich-Ranicki", leitete Hennig in den zweiten Teil der Ausstellung über. Neben dem persönlichen Schicksal der Eheleute Reich-Ranicki im Warschauer Ghetto schilderte er unter anderem auch, wie die Künstlerin auf eine eigene Flucht, die sie von ihrem Mann getrennt hätte, verzichtete und statt dessen mit Hilfe einer Tante die in der Ausstellung zu sehenden Bilder aus dem Ghetto schmuggelte.

Frau Maria Strelsova, eine aus der Ukraine stammende Konzertpianistin, interpretierte am Flügel Werke von Chopin, Gubaidulina und Rachmaninoff und gab der Eröffnungsfeier einen würdigen musikalischen Rahmen.

Die laufende Ausstellung wird durch einen Vortrag über die Diskriminierung, Ausschaltung und Ermordung jüdischer Juristen aus Koblenz und Umgebung am Freitag, den 14. November, um 17:00 Uhr, und durch ein Zeitzeugengespräch am Mittwoch, den 26. November, ebenfalls um 17:00 Uhr, im Oberlandesgericht Koblenz komplettiert.

Die Ausstellung ist im Dienstgebäude I des Oberlandesgerichts (Stresemannstraße 1) in der Zeit vom 30. Oktober bis 28. November 2008 werktags von 8:00 Uhr bis 17:00 Uhr zu sehen. Das Oberlandesgericht Koblenz freut sich über jeden Besucher der Ausstellung und der beiden Begleitveranstaltungen.

 

Marcel Reich-Ranicki

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